221 – 207 vuZ Bau der Großen Chinesischen Mauer

Kurz vor der Saatzeit ereilte ein kaiserlicher Befehl das Dorf am Gelben Fluß: Sämtliche Männer ab einem Alter von 16 Jahren müssen zum Bau der Langen Mauer in den Norden des Landes. Aus sämtlichen Dörfern entlang des Huangho, des Chanjiang (Blauen Flußes), des Hochlandes und von der Meeresküste ziehen Kolonen Richtung Grenze: 400.000 Bauern. Die zurückgebliebenen Frauen und Kinder werden die Arbeit kaum schaffen, aber die kaiserlichen Beamten kennen keine Nachsicht. Der Kaiser ruft die Bauern nach Belieben zu Kriegs- oder Arbeitsdiensten. Auf Ungehorsam steht die Todesstrafe: lebendig begraben oder von Pferden zerrissen. Das Ziel der Kolonen sind unwegsame Grenzgebiete am Rand zur Wüste Gobi, einsame Steppen in rauhen Gebirgen. Die Bautrasse beginnt in der nordwestlich gelegenen Alaschanwüste und zieht sich über Hügel und Höhen ostwärts. Sie verläuft an Berghängen, überquert Gebirgsketten und Hochflächen. Nach 4.800 km erreicht die Bautrasse die nordöstliche Meeresküste. Nach dem Willen des Kaisers soll die Mauer in 10 Jahren fertig sein, um die Einfälle der Hunnen und anderer kriegerischer Reitvölker in die fruchtbaren Ebenen des Gelben Flußes zu verhindern.

Ein Kolonenführer hat unbegrenzte Gewalt über ca. 1.000 Bauern. Er ist Herr über Tod oder Leben. Zur Unterbindung von Ungehorsam hat er Krieger bei sich. Sie treiben die Bauern an: Schneller! Lehm her! Wo bleibt das Wasser? Sand, Sand, noch mehr Sand! Zwischen Lehmgrube, Sandgrube, Bach und Baustelle hasten 300 Träger hin und her. Eine weitere Hundertschaft mischt den Lehm an der Baustelle mit Wasser und gibt je nach Bedarf Sand dazu. 200 Beine mischen das Gemenge mit ihren Füßen. Zuträger schleppen den fertigen Mörtel in Körben auf Pritschen zur Mauer, wo hunderte Stampfer die Masse zusammenpressen und feststampfen. Auf einigen Pritschen liegen tote Arbeiter, erschöpft, entkräftet und zu Tode gearbeitet. Die Stampfer halten in ihrer Arbeit inne und nehmen Abschied von ihren Leidesgenossen. „Was faulenzt ihr herum?“ schelten die Krieger, „Die Knochen verfestigen die Mauer. Lehm drauf und weiter stampfen!“. Die Holzrammen stampfen die Toten in den Lehm der Mauer.

Die Mauer wächst Schicht um Schicht, am Fuße ist sie 6,50 m dick und verjüngt sich bis zur Mauerkrone in 10 m Höhe um einen Meter. Auf der Mauerkrone sollen Reitgeschwader und Soldaten schnell an die bedrohten Stellen gelangen. Alle 100 m überragt ein Beobachtungsturm die Mauer, damit die Wachen das Grenzvorland weithin überschauen können.