1871 Remonetarisierung von Gold im Deutschen Reich

Da Deutschland aus dem 1870 von Frankreich begonnen Krieg als Sieger hervorging, konnte es die Reparationsbedingungen bestimmen: 5 Milliarden Franc in Gold. Zur Begleichung der Reparationsschulden mußte Frankreich sein Silber gegen Gold tauschen, zum anderen wurde von deutschen Banken verlangt, ihr Silber zu verkaufen, um die neue deutsche Goldwährung einführen zu können. Zarlenga, S. 358 Leider verrät uns Zarlenga nicht, an wen und gegen was die deutschen Banken ihr Silber verkaufen mußten, auffallend ist nur, daß er wenige Zeilen später schreibt, das Frankreich nach 1873 die einzige größere Nation war, die bis 1878 Silber als Geld verwendete. IE2013
Infolge der Reichsgründung wurde in Deutschland die Gewichtseinheit Mark als neue Währungseinheit festgelegt und löste damit den seit 1500 geprägten Silbertaler ab. D Raabe, S. 112
Per Gesetz vom 4. Dezember 1871 werden die Umtauschkurse zu den bisherigen Münzen bestimmt: 10 Goldmark = …Die Durchsetzung der Währungsreform dauert aber bis ca. 1907, als auch die alten Vereinstaler ihre Umlauffähigkeit verlieren. H Kahnt: Alte Maße, Münzen und Gewichte, S. 372
Das Deutsche Reich (der Adelsgeschlechter) wurde nach dem gemeinsamen Sieg der deutschen Einzelstaaten über (das inzwischen bürgerliche) Frankreich gegründet. Die Geldhoheit (man spricht inzwischen nicht mehr vom Münzrecht) wurde per Verfassung von den Einzelstaaten auf das Reich übertragen. Die Einzelstaaten hatten vorwiegend Silbermünzen herausgegeben, das Reich ließ Goldmünzen als 10- und 20-Mark-Stücke mit 3,5 bzw 7 g Goldgewicht prägen. Diese Reichsgoldmünzen galten im ganzen Reich als gesetzliches Zahlungsmittel. Die Ländermünzen aus Silber sollten allmählich eingezogen werden, blieben aber noch bis 1878 im Umlauf. Das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber wurde auf 1:15 festgelegt. Ab 1878 wurden einheitliche Silbermünzen zu 1-, 2- und 5 Mark herausgegeben, die pro Mark 5 Gramm Silber enthielten. Offiziell hatte Deutschland jedoch den Bimetallstandard abgeschafft und war zu einer Goldwährung übergegangen. Die Münzreform war der einfachere Teil, schwieriger war die Neuordnung der Papiergeld-Ausgabe, da sich die Einzelstaaten die billige Finanzierung ihrer Ausgaben erhalten wollten. Nach langen zähen Verhandlungen einigte man sich darauf, daß die Ausgabe von Papiergeld nur der Zentralgewalt (also dem Deutschen Reich) zustehen durfte. Das bisherige Papiergeld der Einzelstaaten sollte bis zum 1.1.1878 eingezogen werden und an deren Stelle Reichspapiergeld im Gesamtwert von 120 Millionen Mark ausgegeben werden. Die Summe sollte unter den Bundesstaaten entsprechend dem Bevölkerungsanteil aufgeteilt werden. Es ist allerdings bemerkenswert, daß die Annahme der sog Reichskassenscheine im privaten Geschäftsverkehr verweigert werden konnte, während für die Reichs- und Bundeskassen eine Annahmezwang bestand. Die Reichshauptkasse konnte diese Scheine in Gold- und Silbermünzen einlösen. Die Papierscheine wurden zwar ohne gesetzliche Deckung ausgegeben, aber die Väter des Deutsche Reich empfanden noch die Verpflichtung es notfalls nachträglich zu decken, also eine reale Gegenleistung zu erbringen. Den Trick, einen Teil der Noten ungedeckt auszugeben, hat man sich bei der Bank of England, der Mutter aller Zentralbanken, abgeschaut, die ihn schon 1694 in Form der fiduciary issue angewendet hat. Neben den Reichskassenscheinen waren aber auch die Banknoten der privaten Notenbanken erlaubt, die allerdings nur mit vorhandener Deckung ausgegeben werden durften. Die Deckung mußte aus Münzen, Goldbarren oder guter, dreimonatiger Wechsel mit zwei Unterschriften bestehen (sog Banknoten-Sperrgesetze). Im Jahre 1900 durften immerhin noch 7 Notenbanken (darunter die Bayrische und die Sächsische) eigene Banknoten drucken. Die Etablierung einer staatlichen Zentralbank war heftig umstritten. Die Reichsbank wurde erst 1906 ermächtigt, Banknoten iHv 20- und 50-Mark auszugeben. Die Genehmigung für diese Stückelung wurde den privaten Notenbanken verweigert. 1909 wurden die Reichsbanknoten zum ausschließlichen, gesetzlichen Zahlungsmittel erkoren. Die Deckungspflicht wurde am 31.7.1914 aufgehoben, wodurch aus den Banknoten Papiergeld wurde. Die Verpflichtung zu Erbringung einer realen Gegenleistung wird heute nicht mehr empfunden, die Deckung wird erst gar nicht mehr versprochen. Die ungedeckte Papiergeldausgabe wird heute lediglich mit einer generellen Annahmepflicht versehen (siehe die Änderung der Paragraphen XY des BGB von 20xx). RD 65ff
Die Hauptkasse der Reichsbank in Berlin zahlt jedem Einlieferer der Banknote ohne Legitimationsprüfung 100 Mark (= 35,84 g Gold) aus. Es wurden Banknoten über 100, 200, 500 und 1000 Mark zugelassen. 1875 bestand noch keine Verpflichtung zur Annahme von Banknoten bei Zahlungen. Die gewichtslosen Banknoten erwiesen sich aber bald als praktischer (zumal sie bei jeder Bankstelle der Reichsbank in Gold eingelöst werden konnten). 1906 erfolgte die Einführung von 20 und 50 Mark-Banknoten. Erst per Gesetz vom 1.6.1909 wurde die Banknote zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Im Vertrauen auf die Golddeckung benutzten Bürger und juristischen Personen die Banknoten fast ausschließlich als Geld, so daß die Goldmünzen gegen Ausgabe der Banknote zur Reichsbank zurückkehrten. Am 4.8.1914 wurde der Goldstandard per Gesetz betr. Änderung des Münzgesetzes aufgehoben. Der Goldbestand der Reichsbank belief sich am 4.8.1914 auf 1.477,5 Millionen Mark (=529,569.892.5 t Gold). Die Reichsbank zahlte ab dem 4.8.1914 Reichskassenscheine gg die Einlieferung von Banknoten aus. L Wamser: Gold: Magie, Mythos, Macht, S. 132
In der Zeit von 1875 bis 1913 trat ein neues Phänomen auf: das Buchgeld. Während sich der Metallgeldbestand und der Papiergeldumlauf von 1875 bis 1913 in Deutschland etwa nur verdoppelte, verzehnfachte sich der Umfang des Buchgeldes. Da Buchgeld im Gegensatz zu Banknoten nicht gedeckt sein mußte, konnte eine beträchtliche Geldschöpfung betrieben werden, die vom Goldvorrat weitgehend unabhängig war. In dieser Zeit erhöhte sich der Anteil des Buchgeldes an der gesamten Geldmenge von etwa 60% auf 90%, was in etwa auch dem heutigen Anteil entspricht. Das rasante Wirtschaftswachstum wurde also auch durch die Entwicklung des ˏfractional banking´ begünstigt. RD 68

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1914 Fractional Banking